Der LEV-Ostalbkreis berichtet:

Projekt zur Kompensation des Niedergangs von artenreichem Grünland

Der Landschaftserhaltungsverband Ostalbkreis (LEV) ist seit 2001 tätig und organisiert die Landschaftspflege im Landkreis. „Artenreiches Grünland“ spielt von Beginn an eine große Rolle. Mittlerweile werden 2.200 ha (ca. 3 %) des Offenlandes mit Hilfe von Pflegeverträgen geschützt, erhalten und verbessert. Bereits 2003 fanden erste Versuchsansaaten für artenreiches Grünland auf 5 ha Fläche statt. Seit 2012 betreiben wir die Einsaat auch als Mittel, um verloren gegangene FFH-Mähwiesen wiederherzustellen. Mit Erfolg: Allein 2023 wurden von uns 50 Grünlandflächen mittels Saatgut aufgewertet oder neu etabliert.

Kollaps der Offenlandbiodiversität


Seit Mitte der Sechzigerjahre wurden und werden die blumenreichen Heuwiesen zunächst in güllegedüngte Löwenzahnwiesen und mittlerweile in einsaatdominierte Weidelgraswiesen umgewandelt – unter Umgehung von Umbruchverboten. Wuchskräftige Zuchtsorten dienen dabei als Energielieferant für die Hochleistungs-Milchproduktion. Das Aussterben der artenreichen Wiesen vollzieht sich in solch rasantem Tempo, dass im Ostalbkreis Verlustraten von bis zu 10 %/Jahr ermittelt werden konnten! Da artenreiches Grünland mittlerweile den letzten verbliebenen Hort der Offenlandbiodiversität darstellt, war für den LEV, auch im Zuge der Wiederherstellungspflicht für FFH-Mähwiesen, bereits seit 2011 sehr rasches Handeln angezeigt.

 

(Wieder-)Herstellung artenreichen Grünlands- diese Methden haben sich bewährt:


Ackerflächen werden durch Ansaat einfach in artenreiches Grünland überführt (ggf. Beikraut- oder Kleebekämpfung erforderlich)

Brach gefallenes ehemals artenreiches Grünland wird i.d.R. durch Wiedereinführung regelmäßiger Nutzung regeneriert, wobei eine einmalig sehr intensive Beweidung den schnellsten Erfolg liefert. Auf Einsaat kann in den meisten Fällen verzichtet werden.

Länger intensiv genutztes artenarmes Grünland (Düngung, Vielschnitt, Grasdurchsaat) lässt sich i.d.R. nicht mehr regenerieren, ohne aktiv Samen auf zuvor umgebrochenen Flächen einzubringen!

Zur Einsaat haben wir ein Verfahren mit guter Aufwand-Nutzen-Relation entwickelt, mit dem Biodiversitätsvergrößerungseffekte auf großer Fläche erzielbar sind, um in absehbarer Zeit mindestens so viel artenreiches Grünland zu generieren, wie parallel dazu verloren geht. Hierbei kommt dem gewerblich erzeugten gebietseigenen Saatgut die Schlüsselrolle zu, dessen effiziente Gewinnung und Verfügbarkeit allen anderen Verfahren bei Weitem überlegen ist. Ein institutioneller Rettungsansatz über Spenderflächenkataster und lokale Samenbeerntung scheint uns nicht geeignet, eine vergleichbare Schlagkraft zu entwickeln. Die lokale Saatgutübertragung bleibt damit den besonders gensippensensiblen Flächen vorbehalten.

Verwendete Samenmischungen


• Es finden ausschließlich für Dauergrünland geeignete Mischungen Anwendung, die das im Landkreis vorhandene Grünlandartenspektrum so weitgehend wie möglich abbilden. Kurzlebige Ackerblühstreifen legen wir höchst selten an.

• Unsere Mischungen beinhalten 40-70 Blütenpflanzenarten und decken damit weite Teile des potentiellen Artenspektrums einer artenreichen Blumenwiese ab.

• Der Kräuteranteil beträgt 60-70 % (Samendruckerzeugung).

• Grasartige sind zu 30-40 % enthalten, Obergräser davon max. 1 % je Art (Lichtkonkurrenz!).
Um Obergräser zu unterdrücken, wird stets auch Klappertopf mit angesät.

• Die Hauptkomponenten werden standortspezifisch zusammengestellt, nach Wiesenbegängen und Ellenberg-Zeigerwerten. Berücksichtigt werden hierbei Bodenart und ph-Wert, Wasser- und Nährstoffversorgung sowie Meereshöhe

• Hochpreisige Arten werden zur Kostendämpfung in etwas geringerer Samenmenge beigemischt und/oder punktuell separat ausgebracht.

• Auch stark rückläufige Arten werden verwendet, indem im Kreis geerntete Samen zwischenvermehrt und danach ausgebracht werden.
 

Die Flächenauswahl


Wir sind bemüht, so viel Einsaatfläche wie möglich zu akquirieren, mit Hauptaugenmerk auf grasdominierten Intensivbeständen.

• Eine Flächenbereitstellung erfolgt durch Nebenerwerbslandwirte, Privateigentümer, Liegenschaftsverwaltung (600 ha im Landkreis), Kommunen oder Straßenbau- und Flurneuordnungsverwaltung.

• Nachhaltigkeit wird durch Zehnjahresverpflichtungen zur extensiven Nutzung und durch Landschaftspflegeverträge erzielt.

• Größtes Einzelprojekt ist bisher die Vermittlung eines Ausgleichsflächenagglomerats von insgesamt 32 ha an das Verkehrsministerium

• Dank engem Kontakt zu Flächenbewirtschaftern konnten Einzelflächen bis 5 ha Größe eingesät werden.

• Durch Flächenagglomerate und Einsaat von langgestreckten Strukturen (bis 1 km Länge) sind mehrfach Biotopverbundachsen entstanden. Die Flächen werden i.d.R. Landwirten zur Bewirtschaftung und Heunutzung überlassen.
 

Streifeneinsaat als Mittel der Wahl


Besonders erfolgreich ist die Streifeneinsaat mit völliger Zerstörung der Ausgangsvegetation durch drei Doppel-Fräsgänge im Abstand von ca. zwei Wochen. Die Streifendichte und die Streifenbreite orientiert sich an der ökologischen Restqualität der betrachteten Fläche:

• Auf nährstoffreichen, obergrasdominierten Flächen werden 50-75 % der Fläche eingesät.

• Auf Flächen mit noch vorhandener Wertigkeit in Bezug auf Artenreichtum und Struktur erfolgt die Einsaat auf nur ca. 10 % der Fläche.

• 5-6 m Streifenbreite vermindert den randlichen Konkurrenzdruck auf die Einsaat

Zu beachten ist, dass Wildpflanzensaatgut zum Teil mit mehrjähriger Dormanz behaftet ist. Für einen frühen Blühaspekt werden deshalb bunt blühende Ackerwildkräuter beigemischt. Über die Jahre hat sich gezeigt, dass bestimmte Arten(gruppen) in den Einsaaten nur in geringerem Umfang verwendet werden sollten (Probleme sind sonst z. B. bei Lichtkonkurrenz und Dominanzbildung vorprogrammiert).
Die Nährstoffversorgung in den Einsaatstreifen spielt nach unserer Erfahrung eine viel geringere Rolle als häufig angenommen. Statt langwieriger Ausmagerung setzen wir auf den weitgehenden Verzicht von Obergräsern. Je nährstoffreicher der Standort ist, desto breiter sollten die Streifen dimensioniert werden.
 

Langsame seitliche Ausbreitung eingesäter Arten


In dichten Restbeständen können Jahrzehnte vergehen, in lichten konnten wir bereits nach einigen Jahren eine relevante Ausbreitung der angesäten Arten beobachten. Der Prozess kann durch Frühmahd, Ausmagerung, Striegeln des Restbestands oder Verkreiseln des Mähguts beschleunigt werden.
Für eine erfolgreiche Einsaat ist Grünlandumbruch auf Intensivwiesen unvermeidlich. Leider wird oft in undifferenzierter Rechtsbetrachtung das Umbruchverbot ins Feld geführt. Im LEV-Einsaatprojekt versuchen wir diesen Konflikt zu überwinden.
 

Schlussbetrachtung:


Erst mit der bevorstehenden Verurteilung der Bundesrepublik durch den Europäischen Gerichtshof wegen gravierenden Versagens beim Schutz der FFH-Mähwiesen nehmen nun nach 30 Jahren langsam die Schutzbemühungen für artenreiches Grünland an Fahrt auf. Viel ist nicht mehr übrig, ein effektives Gegensteuern kann nach unseren Erfahrungen nur mit Einsatz von Regiosaatgut gelingen, ohne hiermit alternative Verfahren auszuschließen.

Info

Weitere Informationen zu diesen Projekten finden Sie auf der Homepage des LEV Ostalbkreis unter der Rubrik „Landschaftspflegeprojekte”.